Grundgesetz

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz) und den gängigsten Theorien und Lügen in diesem Zusammenhang.

Das Grundgesetz ist die gültige Verfassung Deutschlands, welche am 8. Mai 1949 vom parlamentarischen Rat in Bonn und am 12. Mai 1949 von den Besatzungsmächten angenommen wurde.

Nach der Ratifizierung durch alle anderen Bundesländer wurde das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates durch den Präsidenten und die Vizepräsidenten ausgefertigt und verkündet (Art. 145 Abs. 1). Das Grundgesetz trat nach Art. 145 Abs. 2 mit Ablauf dieses Tages in Kraft (je nach juristischer Sichtweise der 23. Mai, 24:00 Uhr oder der 24. Mai, 0:00 Uhr). Damit war die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Dieses Ereignis ist in der Eingangsformel beurkundet.

Das Grundgesetz wurde gemäß Art. 145 Abs. 3 in der Nummer 1 des Bundesgesetzblattes veröffentlicht.[1] Die Originalurkunde („Urschrift des Grundgesetzes“) wird im Bundestag aufbewahrt.

Theorien und Lügen

Fälschung von Fachliteratur

Im März 2013 veröffentlichte der Benutzer Ironleafs des Forums von Volksbetrug.net einen Beitrag, betitelt mit der rhetorischen Frage "Was ist ein Grundgesetz?".[2]

Behauptung Volksbetrug.net
Creifelds Rechtswörterbuch
Creifelds Rechtswörterbuch

Dort wird die Behauptung aufgestellt, dass das Grundgesetz ein besatzungsrechtliches Mittel zur Schaffung von Ruhe und Ordnung in einem durch Kriegshandlung besetzten Gebiet und gegeben von der Siegermacht (oder den Siegermächten) für das auf Zeit eingesetzte Verwaltungsorgan (BRD) sei. Als Quelle wird das Rechtswörterbuch von Creifelds, Ausgabe 17, von 2002 angegeben und die Behauptung mit einem Screenshot gestützt.

Nach der Veröffentlichung verbreitete sich diese Aussage viral über soziale Netzwerke und fand auch in vielen einschlägigen YouTube-Videos Verwendung.

Creifelds Rechtswörterbuch
Creifelds Rechtswörterbuch

Der Blogbetreiber Reichling lieh sich das Rechtswörterbuch aus und stellte die betreffenden Seiten online.[3] Dort liest man zum Grundgesetz:

Grundgesetz (GG). 1. Das “Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland” vom 23.5.1949 (BGBl. 1) ist die Verfassung der Bundesrepublik.

Ironleafs hat das angebliche Zitat frei erfunden und nicht aus dem Creifelds zitiert.

Grundgesetz oder Verfassung?

Im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis, das die Begriffe Grundgesetz und Verfassung für gewöhnlich als Synonyme behandelt, betrachtet sie das Credo der Reichsbürgerbewegung als Termini mit unterschiedlicher Bedeutung. Dem widersprechen allerdings die Verfassungen der Königreiche Preußen und Bayern. So ist in der Präambel der preußischen Verfassung von 1850 Folgendes zu lesen:

Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen, daß Wir, nachdem die von Uns unterm 5. Dezember 1848 vorbehaltlich der Revision im ordentlichen Wege der Gesetzgebung verkündigte und von beiden Kammern Unseres Königreichs anerkannte Verfassung des preußischen Staats der darin angeordneten Revision unterworfen ist, die Verfassung in Übereinstimmung mit beiden Kammern endgültig festgestellt haben.

Wir verkünden demnach dieselbe als Staatsgrundgesetz, wie folgt[4]

In den Abschlussbestimmungen der bayrischen Verfassung von 1818 findet sich wiederum dies:

Indem Wir dieses Staats-Grundgesetz zur allgemeinen Befolgung und genauen Beobachtung in seinem ganzen Inhalte, einschlüssig der dasselbe ergänzenden und in der Haupt-Urkunde als Beylagen bezeichneten Edicte hierdurch kund machen, so verordnen Wir zugleich, daß die darin angeordnete Versammlung der Stände zur Ausübung der zu ihrem Wirkungskreise gehörigen Rechte am 1. Januar 1819 einberufen, und inzwischen die hiezu erforderliche Einleitung veranstaltet werde.[5]

Dieser Fehlglaube dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit dadurch entstanden sein, dass die "Väter" des Grundgesetzes diesen Namen der Bezeichnung Verfassung vorzogen, um den provisorischen Charakter des GG zu betonen.

Auch finden sich weltweit noch weitere Verfassungen, die als Grundgesetz bezeichnet werden. Damit konfrontiert, dass etwa gerade das national-konservative Ungarn seine 2011 beschlossene Verfassung (aus historischen Gründen) "Grundgesetz Ungarns" (Magyarország Alaptörvénye) nannte, wird meist argumentiert, dass Ungarn "unter der Fuchtel der EU" stehe und damit unsouverän sei. Daraus wird klar, dass aus Sicht der Reichsbürger unsouveräne Staaten über ein Grundgesetz verfügen, während souveräne Staaten eine Verfassung besitzen. Wieso allerdings das "Grundgesetz des Reichs Dänemark" (Danmarks Riges Grundlov)[6] bereits 1849, zu einem Zeitpunkt an dem Dänemark weder besetzt, noch aus anderen Gründen unsouverän war, eingeführt wurde, kann mit dieser Logik nicht beantwortet werden. Selbiges gilt auch für die Grundgesetze diverser deutscher Fürstentümer.

In anderen Teilen der Reichsbürgerbewegung findet sich auch die Behauptung, bei einem Grundgesetz handele es sich lediglich um ein "Gesetz für die Verwaltung, Organisation und Rechtspflege in den Kolonien".[7] Prominent wird diese These etwa durch die Gruppe Staatenlos.info um Rüdiger Hoffman vertreten. Offensichtlich wird auch diese Annahme bereits durch die Existenz verschiedener historischer deutscher Grundgesetze, etwa des "Grundgesetzes des Königreiches Hannover,[8] des "Grundgesetzes für das Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt",[9] zur Zeit vor und während des Kaiserreiches, oder auch durch das "Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz"[10] in der Weimarer Republik, widerlegt. Als Quelle dient der Szene primär ein für gewöhnlich verkürzt wiedergegebenes Zitat, über das Schutzgebietsgesetz aus dem Deutschen Kolonial-Lexikon von 1914 (veröffentlicht 1920).[11] Im Kontext liest sich die genannte Stelle auf diese Weise:

"Das Schutzgebietsgesetz ist ein Reichsgesetz mit Geltung in sämtlichen deutschen Schutzgebieten. Es ist das Grundgesetz für die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtspflege in den Kolonien."

Von den Reichsideologen wird in den meisten Fällen allerdings nur der zweite Satz, häufig auch in leicht abgewandelter Form, verwendet.

Schließlich sollte angemerkt werden, dass das deutsche Grundgesetz schlicht unter die Definition des Begriffs "Verfassung" fällt. So definiert etwa der Duden "Verfassung" als:

"Gesamtheit der Grundsätze, die die Form eines Staates und die Rechte und Pflichten seiner Bürger festlegen"[12]

Zwar wird, häufig auch das zentrale Rechtsdokument einer Verfassungsordnung selbst als Verfassung bezeichnet, dennoch würde das Grundgesetz auch hier jenes Dokument darstellen.

Grundgesetz gem. Haager Landkriegsordnung?

Wie oben bereits festgestellt sind viele Angehörige der Reichsbürgerszene der Meinung, ein Grundgesetz sei lediglich ein "Mittel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung". Diese Behauptung soll allerdings nicht nur mit Hilfe von kruden Fälschungen belegt werden, sondern auch durch Artikel 43. der Haager Landkriegsordnung. Artikel 43. besagt im Wortlaut:

Nachdem die gesetzmäßige Gewalt thatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle ihm zu Gebote stehenden Maßnahmen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, und zwar unter Berücksichtigung der Landesgesetze, sofern keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen.[13]

Tatsächlich ist also im Wortlaut des genannten Artikels nicht die Rede von "Grundgesetz", geschweige denn, dass es sich bei einem solchen um ein "Mittel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung" handelte. Die Reichsbürger versuchen zumeist, durch langwierige und spätestens bei näherer Betrachtung sehr unlogischen Argumentationen, ihre Sichtweise herbei zu reden. Besonders zwei Fakten stehen jedoch jeglichen Herangehensweisen der Szene entgegen. Erstens betrachteten die Alliierten selbst die HLKO im Bezug auf den Zweiten Weltkrieg nicht als gültig.[14] Zweitens ist in den sogenannten Frankfurter Dokumenten die Rede vom Willen der westlichen Alliierten, eine verfassungsgebende Versammlung einberufen zu wollen und eben nicht nur davon, ein Gesetz "zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung" zu schaffen.[15] Die Idee, mit dem Grundgesetz nur ein Provisorium zu schaffen, wurde erst später von deutscher Seite eingebracht.

Weblinks

Quellennachweise